"Arbeit, Kunst, Soziales"

ExRotaprint, Berlin

Portrait

Auf einen Blick

Idee

„Arbeit, Kunst, Soziales“ belegen je ein Drittel der Flächen bei ExRotaprint. Das sind produzierendes Gewerbe und Dienstleister*innen, Ateliers, Kreative und Musiker*innen, soziale Einrichtungen und NGOs

Themen

Arbeit, Kunst und Soziales

Wo, seit wann

Berlin-Wedding. Konzeptentwicklung 2005, 2007 hat die von Mieter*innen gegrün­dete gemeinnützige GmbH ExRotaprint das Gelände übernommen

Objekt

Ehemaliges Produktionsgelände der Druckmaschinenfabrik Rotaprint - ein Ensemble aus Gründerzeit und Nachkriegsmoderne, das seit 1991 unter Denkmalschutz steht. Bruttogrundfläche 12.500 m², 11 Häuser, 116 Mieteinheiten

Nutzer*innen

Ca. 200 Arbeitsplätze, ca. 300 Teilnehmer*innen in den sozialen Einrichtungen

Beschreibung

ExRotaprint ist das ehemalige Produktionsgelände der Druckmaschinenfabrik Rotaprint in dem Berliner Stadtteil Wedding. 1991 wurde das Ensemble aus gründerzeitlichen Gewerbe- und Erweiterungsbauten aus den 1950er Jahren unter strengen Denkmalschutz gestellt. Nach dem Konkurs von Rotaprint 1989 verwaltete der Bezirk das Gelände und vermietete es für Zwischennutzungen. 2002 wurde es an den Liegenschaftsfonds Berlin übereignet, der den Auftrag hatte, das Geländes zu verkaufen. Das höchste Gebot sollte den Zuschlag erhalten. Für Rotaprint, das eingetragene Baudenkmal mit den entsprechenden Beschränkungen für Abriss und Neubau, der stark sanierungsbedürftigen Bausubstanz, der Lage des Grundstücks in einem einkommensschwachen Bezirk ohne hippe Bars und Galerien, gab es in der Mitte der Nullerjahre kein Kaufinteresse. Die Künstler*innen Daniela Brahm und Les Schliesser initiierten einen Beteiligungsprozess mit den Mieter*innen vor Ort und erarbeiteten ein Nutzungskonzept, das den verschiedenen gesellschaftlichen Gruppen der Umgebung nützlich sein sollte. Ziel war eine Entwicklung des Standorts für eine heterogene Nutzung aus Arbeit, Kunst und Sozialem. Nach Gründung des Vereins ExRotaprint als Interessensvertretung der Mieter*innen setzte sich dieses Konzept – in langen Verhandlungen und Auseinander­setzungen mit Bezirk, Senat und Liegenschaftsfonds – schließlich durch. 2007 hat die von Mieter*innen gegrün­dete gemeinnützige GmbH ExRotaprint das Gelände übernommen.

Heute liegt ExRotaprint in einem von vielen Herkünften geprägten Bezirk. Der Berliner Wedding ist eine „Ankunftsstadt“ und wird gleichzeitig zunehmend von Kreativen und kulturell akademischen Zuzüglern mit entsprechenden Angeboten aufgewertet. Der Bezirk in Zentrumslage ist für Einige attraktiver geworden – für Andere wird es schwieriger zu bleiben. Transferleistungen stellen bisher die Mischung sicher.

Themen: Arbeit, Kunst, Soziales

Initiiert von Künstler*innen, soll ExRotaprint nicht nur ein Ort für Künstler*innen sein. Vermietet wird zu je einem Drittel der Flächen an produzierendes Gewerbe, an Künstler*innen und Kreative und an soziale Einrichtungen. Dabei wird besonders darauf geachtet, dass Menschen mit unterschiedlichen Haltungen und Bedürfnissen den Ort gemeinsam nutzen. Soziale Einrichtungen wie eine Deutschschule für Migrant*innen, Beratungseinrichtungen für Arbeitslose, eine Schule für Schulschwänzer*innen und ein Projekt zur Berufsorientierung für Jugendliche garantieren die Öffnung des Geländes für Menschen, die im Bezirk Wedding leben und Teil des sozialen Gefüges sind, das den Wedding ausmacht. Musiker*innen, Designer*innen, Schriftsteller*innen und Künstler*innen mieten Büros, Studios und Ateliers. Die Erdgeschossflächen sind für produzierendes Gewerbe vorgesehen. Metallbau, Neopren und Holz verarbeitende Werkstätten, Rahmen- und Ausstellungsbau, Siebdruck, Elektriker*innen, Gebäudereinigung und Baugewerbe belegen große Einheiten. Das räumliche Nebeneinander von Produktion, Kreativität und sozialen Einrichtungen ist eine Verschränkung, die sich gegenseitig kommentiert, kritisiert und befruchtet.

Gebäude

Die Firma Rotaprint hat ein einmaliges Ensemble aus Gründerzeit und Nachkriegsmoderne hinterlassen, das seit 1991 unter Denkmalschutz steht. Die spektakulä­ren Erweiterungsbauten des Architekten Klaus Kirsten aus den 1950er Jahren sind Motivation und Antrieb für das Projekt ExRotaprint. Seit 2009 werden die Gebäude in Bauabschnitten denkmalgerecht saniert, Grundrisse optimiert, Brandschutzmaßnahmen durchgeführt und die Energieeffizienz erhöht. Gebaut wird bei Vollvermietung mit phasenweisem Freizug von Flächen und Umsetzung der Mietenden. ExRotaprint erhielt 2016 den Julius Berger Preis für Stadtentwicklung und 2019 die Ferdinand-von-Quast-Medaille für Denkmalpflege des Berliner Senats.

Projekt und die Stiftung

Die Stiftungen trias und Edith Maryon haben gemeinsam das Gelände – zu dem von ExRotaprint in Kaufverhandlungen durchge­setzten Preis – gekauft und in Folge mit der ExRotaprint gGmbH einen 99­-jährigen Erbbaurechtsvertrag abge­schlossen. Das Gelände soll der Spekulation des Marktes entzogen bleiben und einer heterogenen Nutzerschaft zur Verfü­gung stehen. Zur Sicherung dieser Ziele wurden zwei Ver­träge abgeschlossen. Das Erbbaurecht mit den Stiftungen verhindert den Weiterverkauf des Geländes. In dem Erbbaurechtsvertrag ist zudem das Vermietungskonzept „Arbeit, Kunst, Sozia­les“ festgeschrieben. Diese Mischnutzung soll alle gesell­schaftlichen Gruppen einbeziehen und so einer sozial ausgeglichenen Entwicklung im Quartier nutzen. Der Erhalt des Baudenkmals ist die erste Zielsetzung im Gesellschaftervertrag der ExRotaprint gGmbH. Der Überschuss aus den Mieten wird für die Sanierung der Gebäude, für Zins und Tilgung des Baukredits und den Erbauzins verwendet. Als zweites Ziel ist die Förderung von Kunst und Kultur festgeschrieben.

Der niedrige Kaufpreis in Höhe von 640.000 Euro trug das Risiko einer späteren Verwertung und des Profits Einzelner in sich. Die Gesellschafter*innen der ExRotaprint gGmbH haben bewusst auf die Realisierung späterer Gewinne verzichtet. Bisher wurden von ExRotaprint 6,3 Mio. Euro aus Mieteinnahmen und Kredit und 775.000 Euro aus Förderungen in den Erhalt des Baudenkmals investiert. Die durchschnittliche Nettokaltmiete lag im Jahr 2023 bei 4,40 Euro pro Quadratmeter.

Weitere Informationen

Stand: August 2023