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Ein Interview mit den Macher*innen von Hof Tomte

„Wie wollen wir in der Zukunft leben?“

Wie ist euer Wohnprojekt, der Hof Tomte, in der Oberlausitz entstanden?

Wir besichtigten viele Orte und führten viele Gespräche bis dann im August 2019 auf einer Internetseite ein Hof in der Oberlausitz aufploppte. Mein erstes Gefühl sagte mir: „das ist es“ und nach der ersten Besichtigung war alles klar, zumindest von unserer Seite aus. Die andere Seite, eine Erbengemeinschaft, wollte zwar verkaufen, war aber in sich über Themen zerstritten, die wir nicht kannten. So zog sich der Prozess immer wieder hin. Erste Notartermine wurden verschoben, weil irgendwer nicht unterschreiben konnte oder wollte. Auf unserer Seite zeigten sich dann auch Stolpersteine. Die erste euphorische, mündliche Zusage der GLS Bank wurde widerrufen, da der Hof anscheinend plötzlich als Risikoimmobilie bewertet wurde. Es waren Monate der Verwirbelungen.

Wir hatten dann unsere schon aus früheren Zeiten geknüpften Beziehungen zur Stiftung Trias wieder belebt und innerhalb von zwei Tagen hatten wir die Zusage der trias und waren wieder am Ball. Mit der schnellen und unbürokratischen Hilfe der Stiftung trias konnten wir also den historischen, über 200 Jahre alten, denkmalgeschützten Vierseithof mit 1,5 ha Land kaufen, d.h. die Stiftung trias kaufte den Hof und das Land und wir durften dann das Ganze in Erbpacht für 99 Jahre in Pflege und zur Entwicklung übernehmen. Das ganze Projekt ist also aus der Spekulation herausgenommen, nicht in Privatbesitz und somit dem Gemeinwohl verpflichtet. Dies war für uns sehr wichtig, da wir die herrschende Bodenspekulation (Privatbesitz an Grund und Boden) für grundlegend falsch halten und eher die Ansicht der First Nations teilen, dass Boden Gemeingut ist und immer im Dienste für Mensch und Erde gepflegt werden sollte.

Eigentlich war geplant, dass wir zu Weihnachten 2019 schon dort wohnen könnten, es zog sich dann allerdings noch bis zum 05. März 2020 hin bis der LKW rollen konnte. Es plagte uns dann auch etwas die Angst ob wir angesichts des geplanten Lockdowns überhaupt noch umziehen durften, aber wir hatten Glück und sind durchgerutscht.

Welches übergreifende Ziel verfolgt ihr innerhalb eures Projekts?

Wir wünschen uns eine „zukunftsträchtige“, generationenübergreifende, solidarische, bäuerliche, handwerklich, künstlerisch, inklusiv geprägte Gemeinschaft. Unsere Zielrichtung ist klar gemeinwohlorientiert. Den Boden (die Lebensgrundlage für uns alle) schützen, pflegen und die Fruchtbarkeit mehren. Qualitativ hochwertige Lebensmittel entstehen zu lassen, eine stabile Biodiversität für Erde und Mensch entwickeln, ein solidarisches Miteinander von Menschen untereinander und Mensch und Erde zu ermöglichen.

Welche Themen liegen euch besonders am Herzen?

Neben dem bäuerlichen Tun ist uns der pädagogische oder auch sozialpädagogische Ansatz sehr wichtig. Was und wie wird heute Bildung gestaltet? Was ist Lernen gerade unter dem Aspekt der „Zukunftsträchtigkeit“? Wie wollen wir in der Zukunft leben?

Ein weiteres Gebiet ist das Forschen. Wir wollen Platz schaffen für offene Gespräche für Menschen wie dich und mich, aber auch in Zusammenarbeit mit Wissenschaftlern, Künstlern, einfach allen, die sich den zukunftsrelevanten Fragen zuwenden wollen. Als physischen Raum haben wir dafür unseren alten Kuhstall ausgeguckt. Ein sehr beeindruckender Ort, da überspannt von einem alten Kreuzgewölbe. An diesem Platz sollen auch wieder Konzerte stattfinden, Lesungen, Begegnungen aber auch die leckersten Pizzen, Brote und Kuchen gebacken werden können.

Das Wohnen selbst ist natürlich auch ein wichtiges Thema für uns. Wir wünschen uns verschiedene Menschen in unterschiedlichen Altersgruppen für den Hof Tomte.

Was uns auch sehr am Herzen liegt, ist die Trennung von Arbeit und Einkommen: Die Koppelung dieser beiden Bereiche führt unserer Auffassung nach die Gemeinschaft (als Weltenfamilie verstanden) immer weiter an den Abgrund. Grundlage dieses Gedankens ist folgende: Jeder Mensch hat das gleiche Recht zu leben, egal, wo er geboren ist. Und wenn er Geld bekommt, dann nur, weil er Mensch ist, mit dem Recht auf Leben und Teilhabe. Er bekommt das Geld nicht, weil er eine Tätigkeit ausübt. Der Mensch arbeitet also nicht für Geld, sondern für die anderen Menschen - gemeinwohlorientiert sozusagen. Geld ist ein Möglichmacher. Es ermöglicht, Grundrechte zu sichern, z.B. Nahrung, Kleidung, Behausung, Konsumteilhabe, Kunst, Kultur, Initiative etc. Und diese Rechte hat jeder Mensch, unabhängig von seiner Arbeit.

Der letzte Punkt, der uns wichtig ist, bezieht sich auf die Größe der Landwirtschaft. Wir haben in der Vergangenheit schon große Höfe bewirtschaftet und irgendwie dann auch für einen wie auch immer gearteten „Markt produziert“. Das wollen wir nicht mehr. Hier schließen wir uns den vielen Kleinbauern und -bäuerinnen auf der ganzen Erde an, die ja immerhin mehr als 70% aller Lebensmittel von ihren Äckern ernten.

Kann man noch bei euch einsteigen?

Ja! Wir sind ganz offen für Mitmacher*innen in allen Bereichen, ob ganz praktisch als Mitbewohner*in oder als stille Unterstützer*in, Mitdenker*in, finanziell Beteiligte etc. Z.B. wäre toll, wenn jemand uns helfen könnte, die Homepage einzurichten, oder sich jemand mit elektrischem Sachverstand einmischen würde.

Natürlich können wir im Gegenzug auch viel anbieten: Z.B. kann man bei uns lernen, wie Boden schonend bearbeitet wird, Gemüse etwas großflächiger angebaut werden kann, Obstbäume gepflegt und geschnitten werden können, was mit Holz alles schönes zu machen ist, wie Betten oder Tische zu bauen sind oder wie Spielzeug herzustellen ist. Auch könnte bei uns ein Praktikum stattfinden im Bereich, bäuerliches Leben, Milchverarbeitung, Tierhaltung etc. Unter einfachen Bedingungen könnten bei uns auch Ferienwochenenden genossen werden. Ebenso wäre es möglich, bei uns einen Kurs im Umgang mit der Sense (einem der nachhaltigsten Werkzeuge, die ich kenne), deren Bau und deren Pflege zu machen.