Das Erbbaurechtsprojekt Gleisdreieck Dortmund

Im Jahr 2022 kam eine Gruppe junger Menschen aus Dortmund auf die Stiftung trias zu. Sie standen vor einem echten Problem: Sie sollten aus ihrem gemeinsam bewohnten Haus ausziehen, das sie über Jahre hinweg gestaltet hatten; die Eigentümer hatten Eigenbedarf angemeldet. Die Gruppe fasste die Idee, aus der Not eine Tugend zu machen - und ein Haus zum Kauf zu suchen, um darin dauerhaft und selbstverwaltet leben, wohnen und arbeiten zu können.
Die daraufhin mit der Stiftung trias aufgesetzte Crowdfundingkampagne war erfolgreich: Die notwendigen Zuwendungen, Direktkredite und Spenden kamen zusammen und ermöglichten es uns als Stiftung, das im Dortmunder Norden gelegene Wunsch-Grundstück zu kaufen. Grund und Boden gingen damit in das Stiftungsvermögen ein und sind unverkäuflich. Das wunderschöne Bestandshaus, das auf dem Grundstück steht, wurde über einen Erbbaurechtsvertrag für 99 Jahre an die inzwischen geegründete Genossenschaft verpachtet. In dem Vertrag wurden die ideellen Ziele der Gruppe abgesichert, ebenso wie die bezahlbaren Mieten.
Seitdem ist das Gleisdreieck Dortmund einer der Leuchttürme im Ruhrgebiet gegen Mietpreisspirale und Profitmaximierung im Wohnungsmarkt.
Im November 2024 waren wir erneut zu Besuch im Projekt. Mit dabei waren diesmal unsere Kolleginnen und Kollegen aus den Regionalstellen. Neben einer Führung durch das Haus stand gemeinsames Kochen und Essen auf dem Plan. Ein feierlicher Höhepunkt war die Übergabe des trias-Steins an die Gleisdreieck-Gruppe.
In unserem Interview berichtet Lukas vom Gleisdreieck, was die Gruppe in der Zeit seit Projektgründung bewegt hat:
Lieber Lukas,
Wie ist es eurer Gruppe seit dem Einzug ergangen?
"Seit dem Einzug gab es viele Aufgaben zu bewältigen, insbesondere die Anpassung der Einfamilienhäuser an die Bedürfnisse einer großen WG. Die Gruppe ist auf ihre volle Belegschaft von neun Erwachsenen und drei Kindern angewachsen. Es wurden mehrere bauliche Anpassungen vorgenommen, wie die Umgestaltung von Wintergärten zu Gemeinschaftsräumen und die Schaffung von Gästezimmern."
Für alle, die das Projekt noch nicht kennen: Wie ist die Initiative Gleisdreieck entstanden und was sind eure Hauptziele?
"Die Initiative Gleisdreieck ist aus einer bestehenden Wohngemeinschaft entstanden, die vor das Problem gestellt war, dass sie ihr gemietetes Haus durch eine Eigenbedarfskündigung verloren hatte. Wir suchten nach Lösungen und starteten eine Kampagne. Die Idee war, gemeinschaftlich ein Haus zu kaufen, da die Ansprüche einer größeren WG mit fünf bis sechs Personen nicht durch Mietangebote gedeckt werden konnten. Unsere Hauptmotivation ist es, gemeinschaftlich zu wohnen und uns genossenschaftlich selbst zu verwalten."
Wie war der Prozess des gemeinsamen Kaufs?
"Der Kaufprozess war turbulent und von Zeitdruck geprägt, da viele Mitglieder der Initiative ihre Wohnungen bis zum Jahreswechsel 2022/2023 verlassen mussten. Es wurden mehrere Wege gleichzeitig verfolgt, darunter die Gründung einer eigenen Genossenschaft als Backup. Die Zusammenarbeit mit der Stiftung trias und der Dachgenossenschaft Kooperativ eG NRW brachte wertvolles Know-how in den Prozess ein, insbesondere in Bezug auf Grundbucheintragungen und Erbverträge. Denn wir alle hatten zuvor nie ein Haus gekauft und schon gar nicht genossenschaftlich, so dass wir natürlich auch von den Fallstricken wenig Ahnung hatten."
Welche positiven Erfahrungen habt ihr gemacht?
"Zu den positiven Erfahrungen zählen die erfolgreichen Umbaumaßnahmen und wie wertvoll sich die Gemeinschaftsräume für uns als Gruppe gezeigt haben. Wir haben uns eine externe professionelle Begleitung für die Gruppenprozesse geholt und uns regelmäßig getroffen. Das hat dazu beigetragen, dass wir uns besser kennengelernt haben und wir uns einschätzen konnten."
Welche Herausforderungen sind seit dem Einzug aufgetreten?
"Eine unerwartete Herausforderung war der Abstimmungs- und Bürgerbeteiligungsprozess für eine größere Baumaßnahme in der Nachbarschaft. Damit kam auf einmal viel kurzfristige Arbeit auf uns zu und wir mussten uns plötzlich mit Genehmigungsverfahren und Widerspruchsmöglichkeiten, also vor allem Einspruchsmöglichkeiten, beschäftigen. In der Zeit haben wir viel gelernt. Am Ende konnten wir dafür sorgen, dass eine riesige Baustelle direkt neben der Grundstücksgrenze nicht völlig an den eigenen Bedürfnissen vorbei geplant wird. Auch die Organisation der Haushaltskasse stellte sich als schwierig heraus und benötigte mehrere Monate, um eine funktionale Lösung zu finden."
Wie legt ihr eure finanzielle Beteiligung am Projekt fest?
"Die Miete wird ja im Wesentlichen von außen, sprich also durch den Finanzierungsplan des Projektes, bestimmt und wird im Projekt Gleisdreieck auch „relativ konventionell“ nach den Raumgrößen auf die einzelnen Bewohner*innen verteilt. Ein spannendes System haben wir für die gemeinsamen Lebenskosten, insbesondere für die Lebensmittel, entwickelt. Da haben wir gute Erfahrungen gemacht mit einem sogenannten Bietersystem, bei dem die Mitglieder nach Selbsteinschätzung Beiträge leisten. Diese Methode erweist sich als effektiv, um die monatlichen Kosten zu decken."
Wie laufen eure Kontakte zur Nachbarschaft?
"Auch das entwickelt sich recht gut. Durch gemeinsame Aktivitäten wie Glühwein- oder Punsch trinken an der Feuertonne in der Vorweihnachtszeit haben wir uns besser kennengelernt. Die direkte Nachbarschaft ist klein und unser Wohngebiet hier ländlich geprägt. Es gibt Pläne, die Kontakte und das Kennenlernen weiter auszubauen."
Was würdest du persönlich am Gleisdreieck feiern und plant ihr zukünftige Feiern?
"Persönlich feiern wir, dass die Gruppe so weit gekommen ist und wir die verschiedenen Umbaumaßnahmen erfolgreich umsetzen konnten. In der Vergangenheit haben wir schon Freunde eingeladen und gefeiert, große Parties haben wir aufgrund des Aufwands im letzten Jahr jedoch weniger veranstaltet. Aber auch hier haben wir Ideen, um die bisherigen Erfolge zu würdigen!"
Wir danken dir für das Gespräch, Lukas!