Nein zu Rassismus im gemeinschaftlichen Wohnen
Nicht erst seit den Enthüllungen von Correctiv rund um konspirative rechte Treffen gilt es, sich gegen demokratiegefährdendes, rechtes Gedankengut zu positionieren. Die Proteste der Bürgerinnen und Bürger gegen Rechtsextremismus, Antisemitismus und Abschiebepläne sind ein mutmachendes Signal der Zivilgesellschaft, die für ein solidarisches, vielfältiges und demokratisches Miteinander in der Gesellschaft einsteht. Das Berliner Ensemble hat die Correctiv-Recherche sogar künstlerisch verarbeitet. Die gesellschaftliche Entwicklung beobachten wir als Stiftung, die für Demokratie, Menschenrechte und Rechtsstaatlichkeit eintritt, dennoch mit Sorge.
So stellen wir in unserem Wohnprojekte-Portal eine kostenlose Projektbörse zur Verfügung, die am gemeinschaftlichen Wohnen interessierte Menschen und sich gründende oder bestehende Projekte seit vielen Jahren erfolgreich bundesweit zusammenbringt. Seit längerer Zeit beobachten wir, dass es auch hier Versuche gibt, völkisches oder rechtsextremes Gedankengut in den Kontext des gemeinschaftlichen Wohnens zu bringen. Wir werden diesen anti-demokratischen Fantasien keinen Raum geben!
Doch wie geht es den gemeinschaftlichen Wohnprojekten selbst in diesen Zeiten? Fühlen sich insbesondere interkulturell aufgestellte Wohnprojekte von Rassismus in ihrem Alltag betroffen oder gar bedroht? Wie können Wohnprojekte als selbst organisierte und häufig innovative, kreative Orte, die auch in die Nachbarschaft ausstrahlen können, zu Toleranz und Resilienz gegen Rassismus beitragen?
Wir haben unser Erbbaurechtsprojekt "Hinterm Regenbogen" dazu interviewt. Das Wohnprojekt gehört zu den Pionierprojekten der Wohnprojekteszene: Bereits 1981 in Berlin-Kreuzberg gegründet, steht es für inklusives, interkulturelles, generationenübergreifendes Wohnen, Leben und Arbeiten und ist weit vernetzt in Kiez und Gesellschaft. Das Wohnprojekt ist eng verknüpft mit dem angrenzendem Kinder-, Kultur- und Nachbarschaftszentrum "Regenbogenfabrik".
Das Interview wurde schriftlich durchgeführt. Wir danken den Bewohner*innen von "Hinterm Regenbogen" sehr herzlich dafür.
Liebe Bewohner*innen, in eurem Projekt leben Menschen mit Hintergrund aus neun Nationen. Was lösen die kürzlichen Enthüllungen von Correctiv bei euch aus?
Ja, gut ein Drittel der Menschen in unserem Projekt sind nicht in Deutschland geboren oder haben zumindest ein Elternteil, das nicht in Deutschland geboren ist. Der Anteil von Menschen mit Migrationshintergrund bei uns im Haus ist mit rund einem Drittel etwas höher als in der Bevölkerung insgesamt. Manche von uns denken, wo ist das Neue an der Correctiv-Sache? Solche Pläne sind schon länger bekannt. Und auch die Bundesregierung hat im Herbst zahlreiche Verschärfungen beschlossen und durch Verfahren in Drittstaaten, Leistungskürzungen, Ausweitung von Abschiebungen, etc. das Asylrecht ausgehöhlt. Die Enthüllungen haben deutlich gemacht, dass es sich nicht um Pläne handelt, sondern konkrete Schritte zur Umsetzung unternommen werden und dass es dafür auch Unterstützung aus vermeintlich bürgerlichen Schichten und Teilen der Wirtschaft gibt.
Wie reagiert ihr aktuell darauf?
Es gibt in der Regel keine abgestimmte politische Position oder Reaktion als Hausprojekt. Manche von uns spüren, dass sie die ersten wären, die von den Plänen betroffen sind. Andere leben weiter wie bisher, manche fühlen sich in der Pflicht, nun etwas zu tun und gehen zu den Demos.
Welche Reaktionen erfahrt ihr in eurem Kiez, auf der Straße, in der Nachbarschaft?
Was wir wahrnehmen, ist so divers wie unsere Erfahrungen und Herkünfte, schwer zu generalisieren. Tendenziell nehmen wird die Reaktionen eher über die Medien als unmittelbar in der Nachbarschaft oder im Kiez war.
Welche Strategien seht ihr, die Menschen resilienter gegenüber Hass und Hetze zu machen?
Hass und Rassismus haben viele Ursachen. Eine davon ist sicherlich die zunehmende Individualisierung, die durch die neoliberale Politik zu Ungleichheit und Umverteilung von Geld und Macht von unten nach oben geführt hat. Dagegen hilft nur Solidarität untereinander – was wir im Hausprojekt und im Kiez seit nun mehr als 40 Jahren praktizieren. Darüber hinaus hilft Dialog mit allen, die bereit sind ihre eigenen Positionen zu hinterfragen. Andere werden wir kaum überzeugen können, indem wir unsere Überzeugungen dagegenstellen. Schwieriger aber sicherlich wirksamer ist es, zu Fragen und Widersprüche in rassistischen Positionen aufzuzeigen in der Hoffnung dadurch Zweifel säen zu können.
Was bedeutet es für euch in einem Wohnprojekt zu wohnen. Empfindet ihr es vielleicht als sicheren Hafen?
Bislang ja, Kreuzberg fühlt sich jenseits von Kottbusser Tor und Görlitzer Park für die meisten von uns sicherer an als z.B. einige Orte im Berliner Umland. Racial Profiling durch die Polizei in Kreuzberg wird von einigen von uns eher als Bedrohung wahrgenommen. Für viele im Kiez sind prekäre Einkommen eine größere Ursache von Verunsicherung als Rassismus. Einige begegnen Alltagsrassismus am Arbeitsplatz andere spüren Sympathie unabhängig von der Hautfarbe. Das lässt sich nicht generalisieren aber zu wissen, dass mensch sich im Hausprojekt Unterstützung suchen kann, bietet Rückhalt und ein Gefühl der Sicherheit.
Welchen Beitrag können andere, vielleicht noch weniger divers aufgestellte Wohnprojekte aus eurer Sicht leisten, um rechtsextremen Tendenzen die Stirn zu bieten?
Wie bei allen Fragen: in Dialog treten, sich damit auseinandersetzen, sich einfühlen in andere, Ängste wahrnehmen und verstehen. Sich mit Rechten zu konfrontieren ist oft viel zu schwierig für einzelne Leute. Da könnten gemeinsame Trainings helfen. Menschen mit überzeugten rechten oder rassistischen Positionen werden wir kaum erreichen oder umstimmen können. Aber wir können Rassismus, da wo er uns im Alltag begegnet, als solchen benennen und ihn nicht hinnehmen.
Vielen Dank für das Gespräch.
AG gegen Rechte Landnahme lädt Akteur*innen ein
Die Stiftung trias hat gemeinsam mit der Landesberatungsstelle gemeinschaftliches Wohnen in Hessen die "Arbeitsgruppe gegen Rechte Landnahme" initiiert. Ziel der Arbeitsgemeinschaft ist es, sich auszutauschen und Strategien zu erarbeiten, was wir als Netzwerke, Wohnprojekte, Beratende, aber auch Zivilgesellschaft und Kommunen dem Erstarken rechtsextremistischer Gruppierungen entgegensetzen können.
Die AG ist offen für Interessierte und Netzwerk-Akteur*innen aus dem Bereich gemeinschaftliches Wohnen. Das nächste digitale Treffen findet am 22. April 2024 um 9.30 Uhr statt. Anmeldungen bitte an Afra Höck, E-Mail: info@ wohnprojekte-hessen.de